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Ähnlich wie andere Konfliktherde hat sich der Krieg Russlands gegen die Ukraine seit 2014 zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den westlich-demokratisch organisierten Staaten einerseits und den östlich-autokratisch organisierten Ländern andererseits entwickelt. Beide Seiten sind gegenwärtig dabei, durch Bündnissysteme ihre Machtpositionen in der Weltpolitik zu festigen. Ein Wettstreit der Systeme mit mehreren Machtpolen ist bereits im Gange.

Demographisch bedeutsam: Das demokratisch organisierte Indien hat nach Angaben der Vereinten Nationen (undesa_pd_2023_india-population_press-release.pdf) Ende April 2023 mit 1.425.775.850 Einwohnern bevölkerungsmäßig das (formal-)kommunistische, wirtschaftsstarke China  überrundet. In Indien regiert der nationalistische Hindu Narendra Modi und versucht, eine neutrale politische Position zwischen den beiden Blöcken einzunehmen. Die führenden Politiker in Beijing, mit dem Generalsekretär der KP Chinas Xi Jinping, und Moskau, mit dem Präsidenten und ehemaligen Geheimdienstchef Wladimir Putin an der Spitze, gründen ihre Legitimität auf alte, historische und kulturelle Traditionen, die sie für ihre aggressiven Aktivitäten nach außen und innen in Anspruch nehmen. Zugleich bemühen sie sich, die demokratischen Staaten mit ihren systembedingt labilen Regierungen zu destabilisieren und deren freiheitliche Kulturen als „dekadent“ erscheinen zu lassen. Wir erleben gegenwärtig, dass die autokratisch regierten Großmächte versuchen, ideologisch, politisch, kulturell und militärisch ihre Überlegenheit nachzuweisen. Auch der Wirtschaftskrieg zwischen den Großmächten China und USA gehört dazu.

Europa ist gegenwärtig stark zersplittert. Der Brexit hat die Europäische Union politisch und militärisch geschwächt und Großbritannien wirtschaftlich zunehmend ins Hintertreffen gestellt. Als Staatenbund mit ehemaligen Kolonialmächten, die noch im 19. Jahrhundert dem Feudalreich China ihren Willen aufzwingen konnten, hat die EU bisher nicht zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gefunden. Innenpolitisch haben rechts-populistische Bewegungen in einigen Ländern wie Ungarn und Italien zu Regierungen geführt, die zumindest russlandfreundlich auftreten. Die EU ist zwar wirtschaftlich weiterhin stark in der Weltwirtschaft aktiv. Politisch und militärisch vermag sie aber nur gemeinsam mit den USA eine Rolle zu spielen. Die dort anstehende Präsidentenwahl wird zeigen, wohin die Reise geht. Während Großbritannien nach dem jüngsten Sieg der Labour Party wieder zu einer seriösen Innenpolitik zurückzukehren scheint, ist die Situation in Frankreich noch undurchsichtig.  

Die Vereinten Nationen haben angesichts der neuen Blockbildung ihre Bedeutung als friedensstiftende Institution verloren. Die militärischen Konflikte um die Ukraine und Gaza zeigen das in gefährlicher Weise. „Stattdessen“ arbeiten wenigstens internationale Gerichtshöfe und die Verbünde großer internationaler westlicher Medien – darunter New York Times, Guardian, Spiegel, Süddeutsche Zeitung – an der Aufklärung von weltweiten Menschenrechtsverletzungen.

Das andere Riesenproblem: Die internationalen Klimakonferenzen zeigen immer stärker die Zwänge zum Handeln auf, können aber keinen Staat dazu zwingen. Dem Fetisch von der Steigerung des Wirtschaftswachstums wird immer noch Priorität vor der Nachhaltigkeit beim Umgang mit den natürlichen Ressourcen eingeräumt. Das allen Ländern gemeinsame Problem ist die täglich spürbare Verschlechterung des Klimas. Die Weltgemeinschaft, gefährlich zerstritten durch Wirtschaftskrieg und militärische Konflikte, hat bisher nicht zu den notwendigen gemeinsamen Anstrengungen gefunden, die Natur und die Einwohner dieses Planeten dauerhaft zu schützen. Die Menschen haben zwar die intellektuellen, besonders die technischen und wirtschaftlichen Potenziale zur Lösung dieses Problems, offensichtlich aber nicht (mehr) die mentalen Fähigkeiten dazu.

Angesichts eines grassierenden Pessimismus‘ fällt es schwer, den vorsichtigen Optimismus des britischen Wirtschaftspublizisten Hamish McRae (Writing – Hamish McRae) zu akzeptieren, dass die Welt im Jahre 2050 noch lebenswert sein wird. Ein „Warten auf Godot“ ist jedoch gefährlich. Seit den 1970er Jahren wurden Analysen geliefert, Empfehlungen gegeben und auf mögliche Folgen (u.a. Wanderungsbewegungen) hingewiesen: Erinnert sei an die Tätigkeiten der Nord-Süd-Kommission unter Willy Brandt und des Club of Rome (Die Grenzen des Wachstums – Wikipedia). Aus Verantwortung für die jetzt und künftig Geborenen ist es ethisch dringend geboten, dass wir jetzt Lebenden uns immer wieder – wie einst Sisyphus in der altgriechischen Mythologie – um die Lösung dieser Riesenprobleme bemühen: Rettung der Umwelt und des Friedens, Überwindung der gewachsenen Kluft zwischen Arm und Reich. Die Frage bleibt: Stellt diese Kluft, verursacht durch menschliche Gier, nicht eigentlich das Grundproblem dar, das durch Solidarität gelöst werden kann?

           

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