Die Wahlen zum britischen Unterhaus waren für Viele so etwas wie eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Gab es doch zwei Parteiführer, die auch innerhalb ihrer Parteien selbst umstritten waren. Hier der konservative Boris Johnson, der bei dem Brexit-Referendum und danach sehr frei mit Fakten umgegangen war, dies aber mit seinem Großen-Jungen-Charme beiseiteschieben konnte. Dort ein prononciert sozialistischer Jeremy Corbyn, der sich weder für noch gegen den Brexit aussprechen wollte. Die kleine Liberaldemokratische Partei unter der jungen Jo Swinson war die einzige Partei, die klar für den Verbleib in der Europäischen Union plädierte. Das wurde jedoch nicht honoriert.
Wo waren die vielen EU-Anhänger und Klimawandelgegner der letzten Monate geblieben, als es am 12. Dezember bei der Wahl um den Austritt aus der EU, eine sozialere Politik und eine bessere Umweltpolitik ging?
Die Kommentare in den Medien hatten eine Vielzahl von Erklärungen. Ich denke: Das britische Wahlvolk hatte generell genug von der Brexit-Frage und wollte die Umsetzung des Entscheids der 52 %, der EU-Gegner. Die Wähler hatten auch keine Sympathien für Corbyns radikale Pläne, die auf eine Nationalisierung von Schlüsselsektoren hinausliefen. Deshalb wurde mit überwältigender Mehrheit Johnson gewählt. Er hat nun (fast) freie Hand in der Durchsetzung seiner Politik für einen sofortigen Brexit, die Sanierung des Gesundheitssystems sowie die verstärkte Durchsetzung von Gesetz und Recht. Johnson will das Vereinigte Königreich (wieder) in eine glorreiche Zukunft führen.
Dabei werden es vermutlich die schottischen Nationalisten mit ihren starken Gewinnen sein, die ihm einen Knüppel zwischen die Beine werfen werden. Sie wollen eine Referendumsentscheidung über das Ausscheiden Schottlands aus eben diesem Vereinigten Königreich erreichen. Derweil werden die Verhandlungen zwischen London und Brüssel laufen, um die Detailfragen der Loslösung Großbritanniens von der EU zu klären. Und die werden noch lange dauern.
Britische Politik bleibt also spannend und wird weiter zwischen Tragödie und Farce schwanken. Shakespeares Narr hätte reichlich Stoff für seine Kommentare…