So zeigt sich gegenwärtig die alte Universitätsstadt Oxford. Die Menschen sind auf Distanz zu
einander gegangen, und jeder grüßt jetzt jeden verständnisvoll und freundlich. Doch im Hintergrund lauert weiterhin die Pandemie.
Hier die letzten Zahlen der WHO. (Stand: 17.04.2020)
Jetzt sind es schon vier Wochen her, dass meine Frau Helen und ich in Selbstisolation gegangen sind. Die Zeit habe ich sehr genutzt, um mein lang gehegtes Projekt, ein Buch über die jungen Akademiker in der Organisation von Alfred Rosenberg, Hitlers Chefideologen, endlich zu Ende zu bringen („Rosenbergs Elite und ihr Nachleben“). Vor drei Tagen habe ich das Manuskript an den Verlag geschickt.
Trotz meiner Konzentration auf das Buch erlebte ich durch die Medien, dass die britische Regierung wesentlich später zu den notwendigen Beschränkungen gegriffen hat als die deutsche. Der Premierminister gab ein schlechtes Beispiel, weil er am Virus selbst erkrankte. Hinzu kam, dass das hiesige (kostenlose) staatliche Gesundheitssystem in der Krise überfordert war und ist. Am 17. April wurden 861 neue Tote in Großbritannien gezählt. Andererseits gehören die Mediziner der hiesigen Universität gegenwärtig zu den Spitzenforschern bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Covid-19. Im Vergleich dazu kommt Deutschland, auch was die Todesraten (299) angeht, besser weg. Die Iren (42) sind in der Hinsicht noch besser! Die Amerikaner (2.350) schocken uns täglich mit den Opferzahlen aus New York.
Wir sind in „Luxus“-Isolation, weil wir einen kleinen Garten und einen großen Park für den täglichen Spaziergang haben. Und weil wir uns von einem großen Lieferdienst mit Lebensmitteln, dem Milkman mit Milchprodukten, dem französischen Bäcker mit leckeren Backwaren sowie einem Lieferanten von frischem Bio-Gemüse,-Obst, -Fisch und -Fleisch versorgen lassen. Dieses Versorgungssystem bedingt allerdings gute Planung, weil wir nur in wöchentlichen Zeitfenstern bestellen können und die Lieferung erst in einer Woche – in der Regel vollständig – bekommen. Schade natürlich, dass wir Helens kleine Enkeltochter Willow nur auf Distanz oder auf Fotos erleben können, was auch für meine Kinder und Enkelkinder bei Bonn gilt.
Von unseren indischen Freunden habe ich erfahren, dass sich die Mutter mit ihrer behinderten Tochter in Mumbai, dem gemeinsamen, auch beruflichen Mittelpunkt, befindet. Der Ehemann steckt dagegen in London und der Sohn auf einer indischen Insel fest. Wie soll die Pandemie in einem Land mit 1,3 Milliarden Menschen bekämpft werden, für das die Regierung des Hindu-Nationalisten Modi kürzlich einen Lockdown verordnet hat? Die Folgen in den dichtest besiedelten Städten mit riesigen Shanty Towns vermag ich mir angesichts der katastrophalen Entwicklung in Italien, Spanien und in den USA nur mit Grausen vorstellen.
Natürlich vermissen auch wir die bisherigen Annehmlichkeiten, weil wir nicht einfach andere Menschen besuchen, ins Stadtzentrum, ins Kino oder in ein Restaurant gehen können. Dafür erleben wir viel soziale Wärme über die sozialen Medien und über die elektronische Post. Oder sichtbare Zeichen der Unterstützung, die Kinder in unserer Nachbarschaft für die strapazierten Krankenschwestern und Ärzte gemalt haben:
Wir erlebten auch typisch britische Reaktionen auf die Corona-Krise. So erfuhren wir von dem Wunsch eines befreundeten Professors, der bisher begeisterter Golfspieler war und es bleiben wollte. Er konnte nun nicht mehr auf der Weite eines Golfplatzes spielen. Er überlegte, googelte und fand für seinen kleinen Garten in Oxford eine Lösung: Er baute ihn zu einem drei mal drei Meter großen Golfplatz um, der mit einem drei mal drei Meter hohen Netz abgesichert wurde. Wir haben seine köstliche Schilderung mit Fotos vom Aufbau und der Inbetriebnahme gelesen. Der Mini-Golfplatz funktioniert, die Schläger sind in Betrieb...
In der Hoffnung, dass wir möglichst alle gesund bleiben können, grüßt aus Oxford