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So titelte am 16.03.2021 die NEW YORK TIMES in der Rubrik „The Morning“ von David Leonhardt. Und fuhr gleich fort: „Good morning. New coronavirus cases are declining in countries with high vaccination rates. Then there is Europe“/“Guten Morgen. Die Zahlen der Corona-Neuinfektionen sinken in jenen Staaten, die hohe Impfzahlen haben. Und dann gibt es (noch) Europa“.

Als die drei Besten werden Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate und Großbritannien genannt. Chile folgt inzwischen. Sogar in den USA gehen die Infektionszahlen zurück - parallel zur Steigerung der Zahl der Geimpften. Dagegen dümpeln die Impfaktionen in vielen EU-Ländern trotz steigender Infektionszahlen dahin. Sogar die Zeitung „BILD“ rief aus: „Liebe Briten , We Beneiden You!“:

Leider teilten die BILD-Journalisten ihren Lesern nicht gleichzeitig mit, wie katastrophal die britische Regierungspolitik seit Ausbruch der Pandemie ablief. Das hat Laura Kuensberg, die kritische BBC-Politikredakteurin den Briten aufgezeigt: https://www.bbc.com/news/uk-politics-56361599

Der Weckruf an die Europäer ist dringend erforderlich, da die Meldungen von Unzufriedenheit mit dem europäischen Schlammassel in einigen Ländern wie Italien, Spanien und Holland nicht zu übersehen sind. Ob der Ruf gehört wurde, als das Impfen mit dem AstraZeneca-Stoff plötzlich gestoppt wurde?

Warum verhält sich die deutsche Regierung, immerhin das geopolitische Kernland der EU, in der Impffrage so wenig pragmatisch und damit so wenig effizient, wie es wie die britische seit einigen Monaten tut?

Die Kritik an den Europäern von jenseits des Atlantiks ist berechtigt – ebenso wie die Kritik der Europäer an der Pandemie-Politik unter Präsident Trump berechtigt war.

Die Analyse der NYT nennt drei Ursachen:

Erstens: Es ist die überbordende Bürokratie („Too much bureaucracy“). Großbritannien, die USA und andere Länder beeilten sich, Verträge mit den Herstellern von Impfstoffen abzuschließen. Dagegen bemühte sich die EU-Kommission zunächst um Einigkeit zwischen allen 27 Mitgliedsländern, wie man solche Verhandlungen führen sollte. Dieser Prozess hatte Vorrang vor der Geschwindigkeit bei der Beschaffung der Impfstoffe.

Zweitens: Das Prinzip „Sparsam im Kleinen, doch verschwenderisch im Großen“ („Penny-wise and pound-foolish“). Die EU legte großen Wert darauf, in den Verhandlungen möglichst niedrige Preise für die Impfstoffe zu erzielen. Sie erreichte 15 bis 19 Dollar pro BionTech/Pfizer-Dosis und musste sich dann in der entstehenden Warteschlange hinten anstellen. Angesichts einer gewaltigen jährlichen Wirtschaftsleistung der EU wären die Ersparnisse bei den Impfstoffpreisen zu vernachlässigen gewesen, wenn man die Kosten eines einzigen neuen Lockdowns, z.B. in Italien, dagegengehalten hätte. Die Israelis zahlten, um den Stoff schnell zu bekommen, den Premium-Preis von 25 Dollar und erzielten bis jetzt eine Impfquote von 60 % (bei den erstmals Geimpften)!

Drittens: Die europäische Skepsis gegenüber dem Impfen („Europe is the world’s epicenter of vaccine skepticism“). In 19 Ländern wurden die Einwohner gefragt, ob der Covid-Impfstoff als sicher und wirksam anzusehen wäre. In China bejahten dies 89 % und in den USA 75 %. In Deutschland waren es dagegen nur 68 %, in Frankreich sogar nur 59 %. So war es kein Wunder, dass Deutschland und Frankreich so schnell den Einsatz von AstraZeneca mit dem Hinweis auf (sehr wenige, nicht genau untersuchte) Thrombose-Fälle stoppten.

Last but not least: Das „Licht am Ende des Tunnels“ – so wurde die schnelle Entwicklung von Impfstoffen und deren Nutzung bezeichnet – ist zwar noch klein in Deutschland (8,4 % bei den erstmals Geimpften), aber dort wenigstens nicht geringer geworden. Ein Beispiel für Erfolge beim Impfen sind Meldungen aus der Bundeshauptstadt. Z.B. diese aus dem eigenen Familienkreis. Mein Schwager schrieb begeistert von seiner zweiten Impfung: „Ich muss lobend erwähnen, dass es in Berlin sehr gut mit Hilfe von Militär und Studenten organisiert ist. Du wirst sogar kostenlos mit dem Taxi chauffiert, ein ganz toller Service. So hoffe ich, dass bald wieder etwas Normalität eintritt und dass man sich wieder etwas näherkommen darf.“ Es geht also doch, auch in der Hauptstadt, die so oft wegen ihrer Bürokratie kritisiert wird. Für alle EU-Mitgliedsstaaten muss jetzt – nach der erneuten Empfehlung des Impfstoffes AstraZeneca - die Devise heißen: „Nicht kleckern, sondern klotzen“: Werben für das Impfen, um Vertrauen wiederzugewinnen, und möglichst vielen Menschen den kleinen schützenden Pieks geben.

 

Die deutsche Geschichte ist wahrlich nicht arm an bedeutsamen Jahreszahlen. Daran soll erinnert werden. Die unten abgehandelte Erinnerung an die Reichsgründung von 1871 im besetzten französischen Königsschloss von Versailles: Es handelte sich um eine von Fürsten beschlossene nationale Einheit unter einem deutschen Kaiser; sie war sicher nicht die 1848 von deutschen Demokraten gewünschte. Nach Jahren des Friedens und der Prosperität kam der von deutscher Großmannssucht angezettelte Erste Weltkrieg mit nachfolgenden Krisen und dem Aufstieg des Faschismus. Zwei Jahre nach Auslösung des Zweiten Weltkriegs war 1941 das Jahr der ungebremsten deutschen rassistischen Aggression in Richtung Osten; es war zugleich Höhe- und Ausgangspunkt des Untergangs nationalsozialistischer Herrschaft im Jahre 1945.

Nur wenige Jahre später, 1951, wurde im sowjetisch bestimmten Teil Deutschlands der erste Fünfjahresplan zur Entwicklung der (sozialistischen) Wirtschaft begonnen. In dem von den Westalliierten bestimmten Teil Europas lief der amerikanische Marshall-Plan (European Recovery Program 1948-1951) auch für die (marktwirtschaftlich orientierte) Bundesrepublik aus.

Zehn Jahre später, am 13. August 1961, wurde die Mauer in Berlin errichtet und Deutschland noch sichtbarer geteilt. Ich erfuhr davon an Bord der TS "Susanne Fritzen", als ich mitten auf dem Atlantik die Bordzeitung las. Aber keine trennende Mauer der Welt hält ewig:

1989 rebellierten die Leipziger und Berliner erfolgreich auch gegen diese Mauer. Zwei Jahre nach dem politischen und ökonomischen Zusammenbruch der DDR beschloss der deutsche Bundestag im Jahre 1991 die Verlegung des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin; damit wurde diese Stadt wieder Sitz eines vereinten, demokratischen Deutschlands.

Dreißig Jahre später, im Jahre 2021, ringen die Politiker in der prosperierenden, föderalen Bundesrepublik Deutschland um den rechten Weg aus der inzwischen weltweiten Corona-Pandemie. Die Viruserkrankungen beeinträchtigen das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben erheblich; viele Tote sind zu beklagen. Die sozialen und mentalen Folgen sind zur Zeit noch nicht abschätzbar. Was aber immer noch – nach über dreißig Jahren (formaler) Wiedervereinigung – erkennbar geblieben ist und zu denken gibt, das sind die zahlreichen Unterschiede zwischen den ost- und den westdeutschen Bundesländern und den Befindlichkeiten ihrer Einwohner. In dem Werk „ÜbergangsGesellschaft. Fotografien von Bernd Cramer 1985-2019“ (Halle 2019) meint Bernd Lindner in seiner Einleitung: „Das Gefühl „Deutscher zweiter Klasse“ zu sein, will unter den Ostdeutschen nicht weichen.“ Die große Chance im Übergang zu einer Gesellschaft nach der Pandemie liegt für die Deutschen darin, neben der wirtschaftlichen auch zu einer solidarischen, gemeinsamen mentalen Erholung aller in diesem Land Lebenden zu gelangen.  

Sonntag, 07 Februar 2021 18:21

Die Pandemie, die Diplomatie und geweckte Erwartungen

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Der Streit um Impfstoffe, der sich Ende Januar 2021 kurzfristig zwischen Großbritannien und der Europäischen Union entwickelte, zeigte, wie die Nerven aller Beteiligten bloßlagen. Von den Regierungen und vor allem von den Medien waren (zu) große Erwartungen geweckt worden, die angesichts von Lieferproblemen der Firmen zumindest in Deutschland enttäuscht wurden. Zum Glück für alle Beteiligten ruderte die EU-Kommissionspitze schnell mit der Drohung zurück, einen Exportstopp für Impfstoffe zu verhängen. Der diplomatische Schaden war jedoch schon geschehen, weil die Abstimmung innerhalb der EU mangelhaft und die Drohung mit dem Austrittsparagraphen im jüngst abgeschlossenen Brexit-Abkommen sich als ein Eigentor herausstellte. Der europafreundliche GUARDIAN wies am 29.01.2021 zu Recht u.a. darauf hin, dass Großbritannien bereits drei Monate vor der Europäischen Union Lieferverträge abgeschlossen, relativ mehr als diese Geld für entsprechende Forschungsprojekte vorgestreckt und schneller als die EMA (Europäische Agentur) die Impfstoffe zugelassen hatte: https://www.theguardian.com/society/2021/jan/29/we-had-to-go-it-alone-how-the-uk-got-ahead-in-the-covid-vaccine-race?CMP=Share_iOSApp_Other

Wo bleibt der Impfstoff? So fragte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG am 05.02.2021: https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/wo-bleibt-der-impfstoff-e942998/?reduced=true

Das Dossier, an dem 17 Journalisten mitgearbeitet hatten, bot eine detaillierte Schilderung des globalen Wettkampfs um Impfstoffe gegen den Coronavirus. Demnach hatte die EU bis dahin mit sechs Firmen vertraglich gesicherte Impfdosen vereinbart. Von den sechs waren nur drei Firmen in der EU zugelassen: Biontech/Pfizer, AstraZeneca und Moderna. Diese drei Firmen sollten rund 170 Millionen Dosen an Deutschland (80 Millionen Einwohner) für die jeweils erste und zweite Impfung liefern. Allerdings klaffte eine Lücke zwischen deren Lieferungsgeschwindigkeit und der Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit.

Der Zank war so unnötig wie ein Kropf. Er hatte aber auch sein Gutes: Neben der offenkundigen diplomatischen Blamage der EU-Kommission wurden die Kontinentaleuropäer auf mehrere Strukturmängel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie aufmerksam:

  1. Die buchstäblich (für die Infizierten) fatale Langsamkeit bei drängenden Entscheidungen, die die EU-Kommission bei der Abstimmung innerhalb eines Staatenbundes von 27 Ländern zu treffen hatte und noch immer zu treffen hat. Dass dieses Problem bisher nicht gelöst wurde, ist nicht nur einigen osteuropäischen, konservativen Regierungen sondern auch der deutschen Bundesregierung anzukreiden. Letztere hat sich bis heute nicht mit den Reformvorschlägen des französischen Staatspräsidenten befassen wollen, der eine stärkere Integration der Europäischen Union gefordert hat.
  2. Die Planung, Entscheidungsfindung und Umsetzung praktischer Katastrophenpolitik innerhalb der Bundesrepublik Deutschlands geriet streckenweit zum Desaster. Das Gezerre zwischen der Bundesregierung und den Länderchefs und in den Ebenen darunter stieß wohl bei keinem Bundesbürger auf Verständnis. Die fortgesetzte Diskussion um den Schulbesuch ist nur ein (wichtiges) Beispiel. Dabei lieferten Wissenschaftler aller Disziplinen wiederholt konkrete Vorschläge. Zuletzt war es der „Aktionsplan für einen europaweit koordinierten Schutz vor neuen SARS-CoV-2-Varianten“: file:///C:/Users/Jakob/Documents/Blog/Aktionsplan-Covid-Europa.2021.pdf

Nur dank des relativ guten medizinischen Versorgungssystems stiegen die Infektions- und Todeszahlen in Deutschland bei weitem nicht so hoch an wie im Vereinigten Königreich. Andererseits zeigten gerade die Briten, die bisher mehr als elf Millionen Menschen erstmals geimpft haben, wie man durch gut organisiertes Impfen das Licht am Ende des Tunnels schneller erreichen kann. Bis Mai 2021 sollen alle über fünfzig Jahre alten Briten erstmals geimpft worden sein; vgl. BBC vom 06.02.2021: https://www.bbc.co.uk/news/amp/uk-55961387  Beide, Deutschland und Großbritannien, haben ihre politischen und strukturellen Defizite in der jetzigen Gesundheitskrise gezeigt, in beiden wurden wissenschaftliche Höchstleistungen  bei der Entwicklung von Impfstoffen erzielt und großartige Hilfe von Ärzten und Schwestern geleistet. Es bleibt aber die dringende Aufgabe für die Zukunft, bessere, auch international abgestimmte Strukturen für Katastrophenfälle sowie die entsprechenden personellen und finanziellen Ausstattungen zu schaffen. Man bedenke: Es gibt neben Pandemien auch noch ökologische und außenpolitische Katastrophen, die möglich sind…   

 

 

 

18. Januar 1871 und heute

Hundertfünfzig Jahre deutsche Geschichte. Angesichts der heutigen aktuellen Probleme der Welt zeigt sich das europäische Ereignis von 1871 als scheinbar marginales Datum: Genau an jenem 18. Januar 1871 wurde im schicksalhaften Spiegelsaal des Schlosses von Versailles bei Paris König Wilhelm von Preußen von den versammelten deutschen Fürsten zum deutschen Kaiser ausgerufen.

Anton von Werners Darstellung der Ausrufung Wilhelms II. zum deutschen Kaiser

Die Vielzahl von Fürstentümern wurde zu einem Bundesstaat zusammengeführt. An der Spitze stand der preußische König Wilhelm. Planer und erster Kanzler war der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck. Was nach diesem – für die Deutschen letzten siegreichen – Krieg folgte, waren Jahrzehnte höchst wechselvoller Entwicklungen mit zwei Weltkriegen, Spanischer Grippe, Revolutionen und Wirtschaftskrisen. Sie führten nach der Befreiung vom zentralistischen NS-Führerstaat zu zwei sehr unterschiedlichen deutschen Staaten, die erst wieder 1990 zusammenfanden. Die Republik Deutschland fungiert heute als demokratischer Bundesstaat anstelle eines feudal zu nennenden Fürstenbundes von 1871. Vor allem aber stellen Deutschland und Frankreich auf dem Kontinent endlich den friedlichen Kern der Europäischen Union, eines nach Integration strebenden Staatenbundes, dar.

Die Umstände und die Finanzierung (!) des Ereignisses von 1871, das am Ende einer Reihe von sogenannten Einigungskriegen stand, sind seit über fünfzig Jahren bekannt. Sie sind in ihren Einzelheiten aber erst seitdem „sine ira et studio“ in einer Reihe wichtiger Historikerarbeiten beschrieben. Dazu gehören das Werk von Fritz Stern (Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder/Gold and Iron. New York 1977 bzw. deutsch Frankfurt, Berlin 1978), das Bild eines ambivalenten Preußens von Christopher Clark (Iron Kingdom. The Rise and Downfall of Prussia, 1600-1947. London 2007 bzw. deutsch: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600-1947. München 2008, bes. Kap. 16 u. 17) und die gerade erschienene Studie von Christoph Nonn (12 Tage und ein halbes Jahrhundert. Eine Geschichte des deutschen Kaiserreiches 1871-1918. München 2020; vgl. dazu den Bericht im SWR: https://www.swr.de/swr2/literatur/christoph-nonn-12-tage-und-ein-halbes-jahrhundert-eine-geschichte-des-deutschen-kaiserreiches-1871-1918-swr2-lesenswert-kritik-2020-10-21-102.html).

Auch in Corona-Zeiten lohnt ein Blick zurück. Die politischen Diskussionen und Spannungen in dem heutigen deutschen Bundesstaat, zwischen der Bundesregierung und den Ländern, zwischen der Zentrale und den Regionen, haben ihre „Vorläufer“. Auch wenn es das dominierende, problematische Preußen, das bereits die Nationalsozialisten einverleibt und die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst hatten, nicht mehr gibt.

Dienstag, 05 Januar 2021 17:54

Fünf Tage im Januar

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Am ersten Januar 2021 konnten sich die Befürworter des Brexits freuen, dass die letzten Hürden für den faktischen Austritt aus der EU gefallen waren. Noch rechtzeitig zu Weihnachten 2020 war wenigstens ein Handels- und Kooperationsabkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union abgeschlossen worden. Die Europäer auf dem Kontinent sollten sich aber keinen Illusionen über die Stimmung in Großbritannien hingeben: Das Land und seine Teile sind immer noch stark gespalten. Umfragen im vergangenen Jahr ergaben, dass zwar etwa 46 % der Briten bei einem neuen Referendum für den Verbleib in der EU und nur 40 % für den Austritt stimmen würden; vgl.

https://whatukthinks.org/eu/questions/if-a-second-eu-referendum-were-held-today-how-would-you-vote/

Der irische Journalist Fintan O’Toole hat zu diesem Thema wiederholt das Verhalten der Briten, vorrangig der Engländer, analysiert und kritisiert, zuletzt in ZEIT-Online vom 01.01.2021:

https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-12/brexit-grossbritannien-handel-corona-krise-nationalismus/komplettansicht

Das Abkommen, „The Deal“, war das Ergebnis eines zähen Ringens, an dem die Vernunft auf beiden Seiten und das diplomatische Geschick des Franzosen Michel Barnier wesentlichen Anteil hatten. Es regelt neben dem essentiellen Handel von Gütern und Dienstleistungen u.a. auch visafreie touristische Reisen. Es vereinbart die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen, z.B. bei EUROPOL, schafft Kooperationsmechanismen (Partnership Council, Special Committees, Working Groups) und ein Schiedsgericht bei Differenzen (Arbitration Tribunal):

https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/draft_eu-uk_trade_and_cooperation_agreement.pdf

Fünf Tage später im neuen Jahr war es die zweite Welle der Corona-Pandemie, die den Brexiteers Essig in den Wein goss: Der britische Premier hat einen verschärften Lockdown mit all den wirtschaftlichen, sozialen und mentalen Auswirkungen für England (!) verkünden müssen. Die täglichen Infektionszahlen waren weiter auf einen Rekord von fast 60.000 gestiegen. Es sah und sieht nicht gut aus für das Vereinigte Königreich. Auch nicht für den Zusammenhalt: Die Schotten im Norden planen ein neues Referendum; sie wollen der EU beitreten. Im Westen „knabbert“ der Kompromiss über die faktische Zollunion Nord-Irlands mit der Republik Irland, Mitglied der EU, an der Souveränität, die die Brexiteers durch den Austritt wiedererlangen wollten. Aber: Eine neue Grenze mit Handelsschranken zwischen den beiden Teilen der Insel hätte mit Sicherheit wieder zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen wie vor dem sogenannten Good-Friday-Abkommen von 1998 geführt ; vgl.

https://de.wikipedia.org/wiki/Karfreitagsabkommen#:~:text=Das%20Karfreitagsabkommen%20%28%20englisch%20Good%20Friday%20Agreement%2C%20Belfast,den%20Parteien%20in%20Nordirland%20vom%2010.%20April%201998

Angesichts einer weltweiten Ausbreitung des Coronavirus und seiner Varianten ist Schadenfreude fehl am Platze. Jedes Land muss vor der eigenen Haustür kehren. Deutschland hat heute, am 05.01.2021, ebenfalls die Restriktionen verschärft und verlängert.

Dennoch keimt Hoffnung auf: In allen großen Ländern haben Massenimpfungen gegen das Coronavirus eingesetzt. Nach einem Wettlauf der Wissenschaftler in aller Welt konnte mindestens ein Dutzend wirksamer Impfstoffe entwickelt werden. Die Ergebnisse lassen hoffen, dass im ersten Halbjahr die Massenimpfungen die Pandemie eindämmen werden.

Ekkehard Henschke, 05.01.2021

 

 

 

Donnerstag, 22 Mai 2014 16:15

Artist Ai Wei-Wei: Evidence in Berlin

geschrieben von

In May 2014 my wife and I went to see the Ai Wei-Wei exhibition that is on here in Berlin until 07 July 2014. Though you don't get the scale of course, please klick on the following link and you will see some of his works. 

Her short report: It was the best exhibition of contemporary art I have seen for a long time.  The man is just extraordinary - such technical skill, so many ideas, such courage, so politically involved, so humorous.  The huge central courtyard with the stools is so beautiful in real life, as there are a couple of thousand stools, each one different. Wonderful things in marble - marble, for heavens sake - and wood and metal and photography and films of the various political actions. And then the wallpaper made out of the IOU's to all the people who sent him 1 million Euros to support him.

 

And things made from the metal bars out of the reinforced concrete of all those badly-built schools where over 5000 children were killed during an earthquake. It's thanks to him that we even know there were at least 5,000. Amazing films of him recreating his captivity of 81 days and an installation recreating his padded cell. 

You should not miss this exhibition of the most important artist of the present day!

 

          Herbst 1989 in Leipzig

Die heutige Meldung, dass der deutsche Nationalpreis an Christian Führer, Uwe Schwab und Christoph Wonneberger verliehen wurde, hat mich bewegt:

http://www.tagesschau.de/inland/nationalpreis-100.html

Den protestantischen Pfarrer Führer habe ich in meinen aufregenden Jahren (1992-2005) in Leipzig wiederholt in der Nicolaikirche erlebt. Diese barocke Kirche im Zentrum der Messe- und Universitätsstadt hatte der Protestbewegung jeden Montag ein christlich-revolutionäres Dach geboten. Führer beeindruckte als bescheidener, aber mutiger Mann während der Zeit vor, während und nach dem Schicksalsjahr 1989. Auch sein starkes soziales Engagement für die Arbeitslosen in der Stadt verdient hohe Anerkennung . Leipzig hatte sehr schnell mehr 120.000 industrielle Arbeitsplätze als Folge von Fabrikstilllegungen nach dem politischen und wirtschaftlichen Kollaps der DDR, aber auch wegen der erheblichen Schadstoffemissionen verloren. Der andere Pfarrer, Christoph Wonneberger, wohnte gar im gleichen Haus wie ich in der Leipziger Südvorstadt. Er war durch die Friedensgebete sehr bekannt worden, fiel aber gerade in den kritischen Wochen des Herbstes 1989 wegen einer schweren Erkrankung aus. Uwe Schwab, Mitbegründer des Neuen Forums, war als Bürgerrechtler besonders ins Visier der „Sicherheitskräfte“ der DDR geraten. 

Zu der heutigen Meldung passt ein Projekt der Stiftung „Bürger für Leipzig“: Das Buch „Redefreiheit“ wird im Herbst 2014 erscheinen – 25 Jahre nach dem Fall der Mauer – und verspricht spannend zu werden. Darin werden die Tonbandaufzeichnungen von politischen Veranstaltungen während des Leipziger Herbstes 1989 erstmals ausgewertet: http://www.buerger-fuer-leipzig.de/stiftung/Redefreiheit.asp

Sonntag, 27 Juli 2014 16:09

Palestine and Syria

geschrieben von

Fortunately there are some good European media reporting and commenting on the worst battlefields in the Near East: Palestine and Syria and the humanitarian crisises. Academics and artists are equally very much concerned. One of them is the conductor Daniel Barenboim who holds two passports – Israeli and Palestinians. As a UN Messenger of Peace he recently raised his voice in the British GUARDIAN and should be heard: 

http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/jul/24/israelis-palestinians-losers-conflict-suffering-rights#start-of-comments

 

Barenboim ist u.a. Ehrendoktor der Universität Oxford und musikalischer Direktor der Berliner Staatsoper, aber auch ein bedeutender Pianist, den ich im Leipziger Gewandhaus mit Bachs "Wohltemperiertem Klavier" hörte. Zugleich versucht er seit längerem, durch die Musik, insbesondere durch das Orchester des West-Östlichen Diwans, eine Brücke zwischen Arabern und Israelis zu schlagen. 

 

25 Jahre nach den Massendemonstrationen, die zur Öffnung der Mauer in Berlin, der deutsch-deutschen Grenze, zum Zusammenbruch des "Ersten deutschen Arbeiter- und Bauern-Staates auf deutschem Boden", der DDR, und der anderen "sozialistischen" Regime führten, haben nicht nur die Deutschen allen Grund zur Freude.

Die Chronik des 09. November 1989 liest sich heute noch wie ein politischer Krimi:

http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Chronical/Detail/day/9/month/November/year/1989

Und so sah es im November 1989 an der Berliner Sektorengrenze aus:

In Leipzig wurde 2014 mit einem riesigen Lichtfest an den 09. Oktober 1989 erinnert, an dem fast 100.000 Menschen friedlich und mit Erfolg demonstriert hatten. Auf Einladung von Bundespräsident Gauck nahmen in diesem Jahr die Staatsoberhäupter der vier östlichen Nachbarstaaten an der großen Erinnerungsfeier teil:

http://www.mdr.de/89/best-of-neunter-oktober100.html

Mit dem Erscheinen des Buches "Redefreiheit" wurden erstmals die intensiven Diskussionen in der Messestadt im Krisenjahr 1989 veröffentlicht:

http://univerlag-leipzig.de/catalog/article/1576-Redefreiheit

 

Leider ist die Stimme eines Menschenfreundes, der seit 30 Jahren mit sozialwissenschaftlichem Sachverstand Mut zur Lösung der Gegenwartsprobleme gemacht hatte, am Neujahrstag verstummt: Der deutsche Soziologe Ulrich Beck (1944-2015) schrieb und mischte sich ein. Sein Buch über die „Risikogesellschaft“ von 1986 rüttelte die Welt angesichts der Katastrophe von Tschernobyl auf. Darin und in der „Weltrisikogesellschaft“ von 2007 versuchte er, Wege „auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit“ aufzuzeigen. Damit schuf er Zuversicht für all jene nachdenklichen Menschen, die in einer weltweit vernetzten Gesellschaft leben und angesichts der Risiken von Katastrophen atomarer, politischer und ökologischer Art zu verzweifeln drohen. Der britische Soziologe Anthony Giddens bezeichnete Ulrich Beck als „den größten Soziologen seiner Generation“(http://habermas-rawls.blogspot.co.uk/2015/01/anthony-giddens-on-ulrich-beck-1944-2015.html).

Für mich ähnelt das Vermächtnis dieses Wissenschaftlers dem „Mythos des Sisyphos“, den der französische Denker Albert Camus mitten im Zweiten Weltkrieg veröffentlichte. Für kurze oder längere Zeit vermögen glücklicherweise die Musik und die schönen Künste unser Dasein zu verschönern. Lasst uns zuversichtlich in die Zukunft schauen wie dieser kleine Kerl, den ich kürzlich im Museum der Wiener Hofburg entdeckte.

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