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„Mit Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens!“ (Schiller) oder: „Ècrasez l’Infame!“ (Voltaire)?
geschrieben von Ekkehard HenschkeMit der Wahl des republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump zum neuen amerikanischen Präsidenten hat das Wählervolk sich, seinem Land und der Welt einen schlechten Dienst getan. Auch außerhalb der USA wird gerätselt: Waren es die „Dummheit“ des (Wahl-)Volkes, wirtschaftliche Erwägungen, Verführungskünste der Politiker oder gar alles zusammen? Schon bei der Entscheidung für den Brexit hat man sich diese Fragen gestellt. Die Auswahl der künftigen Minister, die Trump nun aus dem Kreise seiner Unterstützer - darunter Querdenker und ambitionierte Milliardäre - getroffen hat, hat weitere Fragen aufgeworfen, darunter die nach der Zukunft der Demokratie in seinem und in anderen Ländern.
Die rückwärtsgewandten, oft diffusen, konservativen Einstellungen, die Donald Trump selbst und sein ebenfalls anti-intellektueller Kreis bisher erkennen lassen, bergen große Gefahren: Sowohl das Anwachsen der innenpolitischen Spaltung (Arm/Reich, Schwarz/Weiß, Alt/Jung, Ost/West) als auch die Unsicherheit über das künftige außenpolitische Verhalten der USA („America First“ statt Stärkung der Bündnisse, wirtschaftlicher Protektionismus statt Handelsabkommen) drohen die bestehenden Konfliktherde zu vergrößern. Hinzu kommt, dass die ausgleichenden Strukturen in der internationalen Politik sich aufzulösen scheinen, da die Vereinten Nationen sich im Niedergang befinden. Im sogenannten westlichen Teil der Welt, insbesondere in den demokratisch organisierten Ländern – mit den USA an der Spitze – gab es bisher stabilisierende Strukturelemente: Dazu gehörten – trotz nationaler Eigenarten - die allgemeine, friedensstiftende Teilhabe der Bevölkerung und die machtausgleichenden Gewaltenteilung. Diese Strukturen werden seit einiger Zeit bewusst von egoistischen Gruppen und populistischen bzw. neurotischen Politikern ausgehöhlt.
Es hilft, den Blick in die Vergangenheit zu lenken. Dabei kann man entdecken, dass es immer wieder Ansätze gegeben hat, das weltweit verbreitete Übel der „Dummheit“, insbesondere das Versagen der menschlichen Vernunft, zu überwinden. In Deutschland gehörten dazu die aufklärerischen Schriften des Philosophen Immanuel Kant, in Frankreich die des scharfzüngigen Literaten Voltaire (vgl. das witzige Video: About Voltaire - Voltaire Foundation). In diesem Jahr wurde nicht nur Voltaires Geburtstag (1694-1778) gefeiert sondern auch der Abschluss eines mehr als 50-jährigen Editionsprojekts: Die Voltaire Foundation for Enlightment Studies an der Universität Oxford präsentierte 205 Bände von Voltaires gedrucktem Werk sowie seiner umfangreichen Korrespondenz. Als ein Produkt der „Digital Humanities“ steht es auch in digitaler Form für die Erforschung des „langen“ 18. Jahrhunderts der Aufklärung zur Verfügung (Our Publications - Voltaire Foundation).
„Écrasez l’infame!“ – „Zermalmt das Niederträchtige!“, rief der kritische Aufklärer seinen Zeitgenossen in der noch feudal geprägten Welt zu und forderte Meinungsfreiheit, Toleranz und Humanität. Nach den Terroranschlägen 2015 in Paris wurde mit „Je suis Voltaire – je suis Charlie [Hebdo]“ die islamistische Attacke gegen die gleichnamige Satirezeitschrift verurteilt (Le onzieme Voltaire-Je suis Charlie fevrier-mars 2015 - Écrasez l’infâme – Wikipedia).
Wer ruft heute den Populisten und Autokraten dieses „Écrasez l’Infame!“ entgegen und mahnt? Aber ist Mahnen noch ausreichend im Fall des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump? Der Schweizer Historiker Jakob Tanner fragt in der Schweizer Tageszeitung vom 16.11.2024 noch deutlicher: (99+) Ist Trump ein Faschist? | Jakob Tanner - Academia.edu
Selten haben mich Aufsätze einer wissenschaftlichen Zeitschrift so beeindruckt wie die neueste Ausgabe von „Albert. Das Journal der Einstein Stiftung Berlin Nr. 8 – Immunforschung“ (2024): Liste – Einstein Stiftung Berlin (einsteinfoundation.de)
Zum einen haben sie mich an den Ausspruch des Zoologen und Naturphilosophen Bernhard Rensch (1900-1990) erinnert, den ich mir während meines (einzigen) Semesters Medizin in Münster im Sommer 1959 einprägte: “Die menschliche Keimbahn ist potenziell unsterblich!“ Die große Bedeutung der Zellforschung wurde auch mir erst allmählich bewusst. Seitdem sind mehrere Generationen von Biowissenschaftlern aktiv gewesen. Sie haben - auch dank der rasanten Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie - weitreichende Resultate in der Immunforschung möglich gemacht. In dem gut verständlichen „Albert“-Heft heißt es im Editorial: „Vielen Menschen scheint erst durch die Pandemie bewusst geworden zu sein, wie komplex das Immunsystem, der Körper und unsere Gesundheit sind – und wie anfällig zugleich.“
Die traurige Seite des wissenschaftlichen Fortschritts ist in der Tatsache zu finden, dass diese Generationen auf dem Gebiet der Friedensstiftung, wie dies der Physiker und Pazifist Albert Einstein (1879-1955, 1921 Nobelpreis) versuchte, nicht gleichermaßen erfolgreich waren. Ein schreckliches Beispiel für das Versagen von Politik und Wissenschaft ist der gegenwärtige Krieg im Nahen Osten. Der Oxforder Medizin-Professor Nick Maynard sah jüngst das menschliche Elend in Gaza und half als Arzt. Sein Bericht vom 26. Juli 2024 in der Oxford Mail (leider mit viel Werbung des Verlags) ist eine eindringliche Mahnung an die Welt zum Handeln: https://www.oxfordmail.co.uk/news/24476949.oxford-surgeon-describes-horrific-injuries-gaza/
Von dem weitsichtigen, aber vertriebenen Albert Einstein stammen viele gute Aussprüche. Dieser gefällt mir gegenwärtig am besten: „Unser Ziel muss es sein, uns aus dem Gefängnis zu befreien, indem wir den Horizont unseres Mitgefühls erweitern, bis er alle lebenden Wesen und die gesamte Natur in all ihrer Schönheit umfasst.“ (https://beruhmte-zitate.de/autoren/albert-einstein/?page=2)
Systemkonkurrenz und Klimakrise als globale Probleme
geschrieben von Ekkehard HenschkeÄhnlich wie andere Konfliktherde hat sich der Krieg Russlands gegen die Ukraine seit 2014 zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den westlich-demokratisch organisierten Staaten einerseits und den östlich-autokratisch organisierten Ländern andererseits entwickelt. Beide Seiten sind gegenwärtig dabei, durch Bündnissysteme ihre Machtpositionen in der Weltpolitik zu festigen. Ein Wettstreit der Systeme mit mehreren Machtpolen ist bereits im Gange.
Demographisch bedeutsam: Das demokratisch organisierte Indien hat nach Angaben der Vereinten Nationen (undesa_pd_2023_india-population_press-release.pdf) Ende April 2023 mit 1.425.775.850 Einwohnern bevölkerungsmäßig das (formal-)kommunistische, wirtschaftsstarke China überrundet. In Indien regiert der nationalistische Hindu Narendra Modi und versucht, eine neutrale politische Position zwischen den beiden Blöcken einzunehmen. Die führenden Politiker in Beijing, mit dem Generalsekretär der KP Chinas Xi Jinping, und Moskau, mit dem Präsidenten und ehemaligen Geheimdienstchef Wladimir Putin an der Spitze, gründen ihre Legitimität auf alte, historische und kulturelle Traditionen, die sie für ihre aggressiven Aktivitäten nach außen und innen in Anspruch nehmen. Zugleich bemühen sie sich, die demokratischen Staaten mit ihren systembedingt labilen Regierungen zu destabilisieren und deren freiheitliche Kulturen als „dekadent“ erscheinen zu lassen. Wir erleben gegenwärtig, dass die autokratisch regierten Großmächte versuchen, ideologisch, politisch, kulturell und militärisch ihre Überlegenheit nachzuweisen. Auch der Wirtschaftskrieg zwischen den Großmächten China und USA gehört dazu.
Europa ist gegenwärtig stark zersplittert. Der Brexit hat die Europäische Union politisch und militärisch geschwächt und Großbritannien wirtschaftlich zunehmend ins Hintertreffen gestellt. Als Staatenbund mit ehemaligen Kolonialmächten, die noch im 19. Jahrhundert dem Feudalreich China ihren Willen aufzwingen konnten, hat die EU bisher nicht zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gefunden. Innenpolitisch haben rechts-populistische Bewegungen in einigen Ländern wie Ungarn und Italien zu Regierungen geführt, die zumindest russlandfreundlich auftreten. Die EU ist zwar wirtschaftlich weiterhin stark in der Weltwirtschaft aktiv. Politisch und militärisch vermag sie aber nur gemeinsam mit den USA eine Rolle zu spielen. Die dort anstehende Präsidentenwahl wird zeigen, wohin die Reise geht. Während Großbritannien nach dem jüngsten Sieg der Labour Party wieder zu einer seriösen Innenpolitik zurückzukehren scheint, ist die Situation in Frankreich noch undurchsichtig.
Die Vereinten Nationen haben angesichts der neuen Blockbildung ihre Bedeutung als friedensstiftende Institution verloren. Die militärischen Konflikte um die Ukraine und Gaza zeigen das in gefährlicher Weise. „Stattdessen“ arbeiten wenigstens internationale Gerichtshöfe und die Verbünde großer internationaler westlicher Medien – darunter New York Times, Guardian, Spiegel, Süddeutsche Zeitung – an der Aufklärung von weltweiten Menschenrechtsverletzungen.
Das andere Riesenproblem: Die internationalen Klimakonferenzen zeigen immer stärker die Zwänge zum Handeln auf, können aber keinen Staat dazu zwingen. Dem Fetisch von der Steigerung des Wirtschaftswachstums wird immer noch Priorität vor der Nachhaltigkeit beim Umgang mit den natürlichen Ressourcen eingeräumt. Das allen Ländern gemeinsame Problem ist die täglich spürbare Verschlechterung des Klimas. Die Weltgemeinschaft, gefährlich zerstritten durch Wirtschaftskrieg und militärische Konflikte, hat bisher nicht zu den notwendigen gemeinsamen Anstrengungen gefunden, die Natur und die Einwohner dieses Planeten dauerhaft zu schützen. Die Menschen haben zwar die intellektuellen, besonders die technischen und wirtschaftlichen Potenziale zur Lösung dieses Problems, offensichtlich aber nicht (mehr) die mentalen Fähigkeiten dazu.
Angesichts eines grassierenden Pessimismus‘ fällt es schwer, den vorsichtigen Optimismus des britischen Wirtschaftspublizisten Hamish McRae (Writing – Hamish McRae) zu akzeptieren, dass die Welt im Jahre 2050 noch lebenswert sein wird. Ein „Warten auf Godot“ ist jedoch gefährlich. Seit den 1970er Jahren wurden Analysen geliefert, Empfehlungen gegeben und auf mögliche Folgen (u.a. Wanderungsbewegungen) hingewiesen: Erinnert sei an die Tätigkeiten der Nord-Süd-Kommission unter Willy Brandt und des Club of Rome (Die Grenzen des Wachstums – Wikipedia). Aus Verantwortung für die jetzt und künftig Geborenen ist es ethisch dringend geboten, dass wir jetzt Lebenden uns immer wieder – wie einst Sisyphus in der altgriechischen Mythologie – um die Lösung dieser Riesenprobleme bemühen: Rettung der Umwelt und des Friedens, Überwindung der gewachsenen Kluft zwischen Arm und Reich. Die Frage bleibt: Stellt diese Kluft, verursacht durch menschliche Gier, nicht eigentlich das Grundproblem dar, das durch Solidarität gelöst werden kann?
Die beschauliche Weihnachtsdarstellung in der Hofkirche des Normannenplastes ist Teil eines großartigen Mosaikbildes der Bibel, in der die Welt der Antike erscheint. Der Kontrast könnte nicht größer sein: Der Betrachter der heutigen Welt schaut über die Medien zu, wie sich im Nahen Osten und in Osteuropa Menschen gegenseitig systematisch umbringen. Und die Großmächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges gegründet wurden, gebieten diesem Morden nicht Einhalt. Die Frauen und Kinder, die besonders darunter leiden, haben diese Gewaltausbrüche sicherlich nicht gewollt! Dabei gilt in allen Religionen, die in den Kriegsgebieten befolgt werden, das Tötungsverbot. Was tun die Kirchen des Christentums, des Islams und des Judentums?
Nach dem jüngsten Bericht des Londoner GUARDIAN (https://www.theguardian.com/world/live/2023/dec/21/israel-gaza-war-live-updates-hamas-leader-ismail-haniyeh-hostage-talks-egypt-palestine?CMP=Share_iOSApp_Other) sind seit dem Massaker der Hamas vom 07. Oktober fast 20.000 Menschen im Gaza-Streifen umgekommen, die dem israelischen Vergeltungsschlag zum Opfer fielen: Zwei Millionen Palästinenser wurden dabei in ihrem eigenen Land vertrieben. Krankenhäuser, Schulen und auch Kirchen bieten keinen Schutz mehr, auch nicht für Frauen und Kinder. Jüdische Menschen werden als Geiseln, palästinensische als Schutzschilde der Terroristen „benutzt“. Die in Oxford lebende Layla Moran, Abgeordnete des britischen Unterhauses mit christlich-palästinensischen Wurzeln, berichtete über die dramatische Situation ihrer eigenen Familie, die sich in eine katholische Kirche in Gaza City geflüchtet hatte.
Währenddessen befestigen die Ukrainer ihre Stellungen gegenüber den Russen und versuchen, ihre Infrastruktureinrichtungen, besonders die Stromversorgung, im drohenden eisigen Winter zu sichern. Aber auch dort geht das Sterben weiter.
Benefizkonzerte wie das der Berliner Philharmoniker trösten und zeigen zugleich die Gemeinsamkeiten von unterschiedlichen Völkern auf, die die Brücke zum Frieden darstellen können ("Gemeinsam für Menschlichkeit": Konzert der Berliner Philharmoniker für Israel | NDR.de - Kultur - Musik). Gebete in den Kirchen und Moscheen wollen ebenfalls Trost und Mut spenden.
Die dringlich zu beanwortende Frage bleibt: Wer stoppt endlich das sinnlose Töten, damit alle ein friedliches und gemeinsames Weihnachtsfest 2023 feiern können?
Der Terrorkrieg der palästinensischen Hamas-Organisation gegen israelische Kibbuz-Bewohner ist ein großes Verbrechen. Nicht nur die dortige Bevölkerung sondern auch Jüdinnen und Juden in vielen anderen Ländern fühlen sich bedroht. Die militärische Reaktion des Staates Israel hat zu Recht die Terroristen getroffen, aber zugleich die palästinensische Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen überhart in Mitleidenschaft gezogen. Das hat berechtigte Kritik hervorgerufen. Aber: Was nicht berechtigt ist, Juden einerseits und Muslime andererseits generell dafür verantwortlich zu machen. Die in den letzten Wochen in Deutschland und in anderen Ländern manifest gewordenen Vorurteile sind eine Schande für jeden aufgeklärten Menschen. Sie fördern zugleich die Ausbreitung von weiterem Hass und Krieg auf diesem ohnehin bedrohten Planeten.
Kehren wir zu allererst vor unserer eigenen Haustür: Der deutsche Minister und Vizekanzler Robert Habeck hat jüngst in einer beeindruckenden Rede dazu Stellung bezogen: Vizekanzler bezieht klar Stellung: Viel beachtete Israel-Rede: Habecks Video in voller Länge | ntv - YouTube
Er hat den hier (wieder-)aufgeflammten Antisemitismus scharf kritisiert. Der deutsche Staat und die Gesellschaft haben – neunzig Jahre nach dem Beginn der Judenverfolgung durch den damaligen Staat – die Pflicht, ihre jüdischen Mitbürger zu schützen und zu achten. Das ist „Staatsräson“, aber auch „unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit“ der heute lebenden Generationen, nachdem die vorherigen versagt hatten. Die Historiker, auch die deutschen, haben dieses Versagen und die Folgen schwarz auf weiß analysiert und für einen Jeden lesbar dokumentiert. Den Urgrund – warum Menschen anderen Menschen Böses antun – werden sie wohl dauerhaft erforschen müssen. Die Beantwortung der Frage nach Krieg und Frieden bleibt als Aufgabe den Menschen seit den mythologischen Erzählungen erhalten, vgl. insbesondere die Bibel und den Koran mit dem Problem „Kain und Abel“.
Ein Urlaub in Griechenland führt stets zu den Wurzeln der europäischen Kultur. Dies wurde mir besonders in diesem Sommer bewusst, als die Orte Athen, Nafplio und Sparta/Mystras auf dem Programm standen. Schönes Wetter, blaues Meer und die reifen Früchte eines Mittelmeerlandes, das von kargen Gebirgen, aber auch von grünen Tälern gekennzeichnet ist. Das sind Empfehlungen für jeden Touristen. Wer näher hinschaut, kann Zeugnisse eines kulturgeschichtlichen Zeitbogens von rund viertausend Jahren erleben. Dieser reicht von der Bronzezeit (mit Hinterlassenschaften der minoischen Kulturen auf Kreta und jenen aus Mykene) über die sogenannte klassische Zeit (gekennzeichnet durch die Kontrahenten Athen und Sparta in der Auseinandersetzung mit den Persern) zu der langfristigen Begegnung mit Rom.
Epidaurus Theater
Der Bogen enthält in der nachchristlichen Zeit die Auseinandersetzungen mit dem Byzantinischen, danach mit dem Osmanischen Reich, um schließlich nach dem Befreiungskampf im 19. Jahrhundert und den Wirren des extremen 20. Jahrhunderts in der Gegenwart anzukommen. Nicht nur die epischen Erzählungen von Homer, sondern die der antiken Historiker Herodot und Tukydides und ein Meer von modernen wissenschaftlichen Arbeiten (vgl. u.a. die Bände 286 und 706 der Serie „A Very Short Introduction“ bei Oxford University Press) sowie insbesondere das Nationale Archäologische Museum von Athen berichten von dieser großen griechischen Vergangenheit.
Sommerloch 2023 und das Prinzip Hoffnung
geschrieben von Ekkehard HenschkeEs war in diesem Jahr ein irrer Sommer – bis jetzt: Das mediale Loch wurde vollgestopft mit Meldungen über Krieg in Osteuropa, Umstürze in Afrika und verbrennende Wälder in Europa und Amerika. Erschreckend eigentlich, was sich die Menschen dieses Planeten nach einer gerade zu Ende gehenden Pandemie alles „leisten“!
Und dann gibt es in diesem kleinen Biotop Deutschland noch den zusätzlichen „Luxus“: den permanenten Streit innerhalb der regierenden (!) Ampel-Koalition, obwohl doch „alle Welt“ in Deutschland klagt, dass man den Rechten, also der AfD, endlich etwas Substantielles entgegensetzen sollte. Zum Beispiel bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels (nach verpatzter Heizungsdebatte), auch durch die Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen (nach jahrzehntelanger Verschleppung der Digitalisierung) und durch die Beseitigung von Ungleichheiten in Gesellschaft (mit Kinderarmut und Bildungsrückständen) und Wirtschaft (mit auch steuerlichen Standortnachteilen). Schließlich gilt es, die Wirtschaft als Wohlstandsmotor für Deutschland und Europa fit zu machen und die Menschen dafür zu motivieren.
Die Weltlage für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sieht ernst, aber nicht hoffnungslos aus. Das ist – nach gründlichen Analysen und Handlungsansätzen im Interesse der kommenden Generationen - die Botschaft des schottischen Wirtschaftspublizisten Hamish McRae in The WORLD IN 2050. HOW TO THINK ABOUT THE FUTURE (London u.a. 2023), die verhalten optimistisch endet.
Da möchte man doch den Politikern mit Karl Valentin warnend zurufen: "Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut." Wirklich nicht?
Ein historischer Tag im Kalten Krieg: der 17. Juni 1953
geschrieben von Ekkehard Henschke"Da kommen die Hennigsdorfer!" Ab 6 Uhr morgens marschierten am 17. Juni 1953 15.000 Hennigsdorfer Stahlarbeiter durch Wedding nach Ostberlin (Artikel im TAGESSPIEGEL vom 16.06.2003). Rechts im Bild West-Berliner Polizei.
Acht Jahre nach Kriegsende erhoben sich streikende Arbeiter in der DDR gegen die sozialistische Obrigkeit und forderten die Rücknahme der Erhöhung der Arbeitsnormen. Diese und weitergehende politische Forderungen, darunter jene nach freien Wahlen, wie sie am 17. Juni 1953 in zahlreichen ostdeutschen Orten vorgetragen wurden, erschütterten das Regime. Der Westberliner Radiosender RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) strahlte diese überregional aus, was wiederum als Provokation gewertet wurde. Nur durch die sowjetischen Truppen mit ihren Panzern und durch die kasernierte Volkspolizei konnte der Volksaufstand schnell unterdrückt werden; vgl. Wikipedia mit weiteren Angaben und Fotos (https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_vom_17._Juni_1953).
Im Alter von 13 Jahren wurde ich in dem alten Arbeiterbezirk Wedding teilweise Augenzeuge der Ereignisse im geteilten Berlin: Am Vormittag rief mein Stiefvater [Dr. med. Adalbert Schwede, der nahe der Sektorengrenze im französischen Sektor seine Praxis hatte] von der Praxis aus in der Wohnung an und berichtete von Arbeiter-Demonstrationen im Ostsektor. Ich machte mich sofort zu Fuß auf den Weg und erlebte als erstes den langen Marsch der Hennigsdorfer Stahlarbeiter [nördlich von Berlin] durch die Müllerstraße, wo sie auf der Höhe der Müller-Halle von Bäckern und Fleischern mit Brötchen und Wurst versorgt wurden. Ein starkes Zeichen der Solidarität. Der Kampf um die Zurücknahme der Arbeitsnormen, die die Regierung der DDR beschlossen hatte, breitete sich als Aufstand im ganzen Land aus und konnte nur mit Hilfe der sowjetischen „Freunde“ unterdrückt werden.- Ich erlebte an der Sektorengrenze in der Chausseestraße die Motorradfahrer, die in ihren Beiwagen Verletzte vom Brennpunkt Potsdamer Platz in den Westsektor brachten. Und schließlich brummten die ersten sowjetischen Panzer heran und blieben auf der Grenzlinie stehen. Alle hielten den Atem an: Würde ein neuer Krieg ausbrechen? Glücklicherweise passierte dies nicht. Aber Tage später wurden einige der Opfer des Arbeiteraufstandes in Berlin in einem Staatsbegräbnis auf dem Weddinger Friedhof beigesetzt.
Als der Kalte Krieg und die „Freundschaft“ der Sowjetunion zu Ende gingen, konnte sich das Volk der DDR 1989 schließlich durchsetzen. Die Hennigsdorfer und viele andere im wiedervereinigten Deutschland werden sich am 17. Juni 2023 daran erinnern: https://landesregierung-brandenburg.de/gedenken-17-juni-1953/
In English:
Eight years after World War II had ended, the workers of the German Democratic Republic called a strike and stood up against their socialist government. On 17 June 1953 many East German citizens demanded the cancellation of increased work norms and even free elections, demands which horrified the regime. The West Berlin radio station RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) broadcast their demands very widely, which the East German authorities characterised as “provocation”. Soviet troops with tanks and the East German riot police quickly subdued the riots.
At the age of 13 I was able to observe what was going on in Wedding, the workers’ district in West Berlin: In the morning of 17. June my stepfather Dr Adalbert Schwede phoned from his surgery in the French sector on the border with Soviet-controlled East Berlin and informed us about the workers’ demonstrations in the Eastern parts of Berlin. I set off at once and watched the long march of the Hennigsdorf steel workers, coming from the north of Berlin, down through the big wide Müllerstrasse. They passed a covered market, where the bakers and butchers provided them with rolls and sausages. A great sign of solidarity. The steel workers’ uprising, demanding that the government stop raising the work norms, spread all over the country. It was finally suppressed by the so-called Soviet “friends”.- Standing next to the border on Chausseestrasse I saw the motor cyclists who had arrived from the centre of East Berlin, where Potsdamer Platz was on fire, carrying wounded people to West Berlin in their sidecars. In the end Soviet tanks appeared and stopped at the border of the Soviet sector. Everybody was frightened: Would there be another war? Fortunately, this did not happen. However, a couple of days later I attended the funeral of some victims of the workers’ riots in Berlin Wedding.
When the cold war and the socalled "friendship" with the Soviet Union ended the people of the GDR finally succeeded in 1989. The people of Hennigsdorf and many other oplaces of reunitede Germany will remember on 17 June 2023.
Was hat Weißkirch mit Karl III. zu tun? Der britische König in Rumänien
geschrieben von Ekkehard HenschkeBeim Frühstück am Sonntagmorgen fiel mir das Etikett eines Honigglases auf: „Duchy Organic. Pure Honey. … Produce of Romania. Packed in the UK Waitrose Limited. … THE PRINCE OF WALES’S CHARITABLE FUND”. Die Recherche im Internet ergab Näheres über die Aktivitäten des britischen Königs Charles III, bis vor kurzem noch Prince of Wales, für ökologische Landwirtschaft. Darunter zählt aber auch sein Engagement für ein kleines rumänisches Dorf mit einer großen, aber auch sehr bewegten Vergangenheit: Deutsch-Weißkirch in Transsylvanien in den Karpaten: https://de.wikipedia.org/wiki/Viscri; https://de.wikipedia.org/wiki/Viscri#/media/Datei:Biserica_evanghelic%C4%83_fortificat%C4%83_Viscri.jpg
Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts ist dieses Dorf eine Siedlung der Siebenbürger-Sachsen Heute leben darin rund 450 Einwohner, hauptsächlich Rumänen, Roma und Ungarn. Die einst deutschen Siedler wurden im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg teils umgesiedelt (nach Sibirien) oder vertrieben. Oder sie verließen zuletzt ihre Heimat mehr oder weniger freiwillig in der Zeit des kommunistischen Diktators Nicolae Ceaucescu (1918-1989) in Richtung Bundesrepublik Deutschland. Mit dessen Sturz endete ein großes Dorfvernichtungsprogramm, so dass auch die alten Bauernhäuser und die Wehrkirche in Viscri, die rumänische Bezeichnung von Deutsch-Weißkirch, erhalten blieb. Der damalige englische Kronprinz Charles begann, sich nach seinem ersten Besuch in Rumänien 1993 für das romantische Dorf bei einem Besuch zu begeistern. Er kaufte zwei Anwesen am Rande der Karpaten, darunter Viscri mit einem Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Dort betreibt er bis heute erfolgreich biologisch-organische Landwirtschaft – und eben auch die Honig-Herstellung. Viscri erhielt inzwischen den Status eines UNESCO-Welterbes und entwickelte sich zu einem Tourismus-Magneten: https://www.rferl.org/a/romania-king-charles-village-viscri/32042596.html
Was weniger bekannt ist: Mit Klaus Johannis stellt ein Nachkomme der einstigen Siebenbürgen-Sachsen gegenwärtig den rumänischen Staatspräsidenten. Ob er bei den Krönungsfeierlichkeiten am morgigen 06. Mai zu sehen sein wird, ist nicht bekannt. Wohl aber sind die Beweggründe des britischen Königs Charles III. bekannt, sich in und für Viscri in konservativem Sinne zu engagieren. Will Lloyd hat im aktuellen, linksliberalen NEW STATESMAN (05.-11. Mai 2023) ausführlich geschildert, wie sich Charles schon früh den modernistischen Strömungen in der Städteplanung sowie in der industriell betriebenen Landwirtschaft in seinem eigenen Land widersetzte. Bereits früh hatten die Gedanken insbesondere der esoterisch-antimodernistisch orientierten Schriftsteller Laurens van der Post (1906-1996) und Kathleen Raine (1908-2003) Einfluss auf den britischen Thronfolger gewonnen. Kann Charles als König eines demokratischen Landes mit seinen Vorstellungen und Erfolgen, die er auf dem Gebiet einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft hier und in Rumänien erzielte, Einfluss nehmen?
Großbritannien bleibt europäisch – was sonst!? Daran kann auch der Brexit letztlich nichts ändern. So denke nicht nur ich im „Land der Demokratie“, in dem ich mich eines „Settled Status“ als EU-Bürger erfreue. Als bewusste Europäer betrachten sich auch viele Briten, die als mediales Sprachrohr - außer dem „Guardian“ - seit einiger Zeit auch den wöchentlich erscheinenden „THE NEW EUROPEAN. Think without borders“ lesen können. In der aktuellen 336. Ausgabe des liberalen Blatts finden u.a. sich kritische Artikel zur britischen Regierungspolitik, aber auch zu den Unruhen in Frankreich und den Entwicklungen in Italien, Spanien, Deutschland und Österreich. Dazu gehören auch Betrachtungen über die Arbeiten des Fotografen Colin Jones, des polnischen Filmregisseurs Krzysztof Kieslowski (THE THREE COLOURS TRILOGY: Red, White and Blue) und die gegenwärtig laufende Kunstausstellung in Amsterdam zum Werk von Johannes Vermeer. Auf der dazugehörenden Webseite findet sich ein weit nach Osten reichender Aufsatz von Isabel Hilton vom 16.04.2023 über die aktuelle chinesische Politik, die die westlichen Länder herausfordert: https://www.theneweuropean.co.uk/xi-jinpings-alternative-world-vision/
Wer als Deutscher von Oxford aus nur etwas in Richtung Osten reist, wird schnell nicht nur auf die geopolitische Lage sondern auch auf die Gefühlslagen der Bundesdeutschen stoßen. In Berlin erlebte ich wieder einmal, dass und wie stark Deutschland zu einem Einwanderungsland für Menschen aus dem Süden (Afrika) und aus dem Osten (Osteuropa) geworden ist. In Dresden, der Stadt, die noch im Februar 1945 sehr stark zerstört wurde, erinnerte ein Graffito daran, dass gegenwärtig der Krieg in der Ukraine ganze 753 km entfernt tobt. In Stettin/Szczecin, der Ostsee-Hafenstadt, die 1945 einen vollständigen Bevölkerungsaustausch (von Russen vertriebene Polen vertrieben Deutsche) erleben musste, bewunderte ich – wie in Dresden – die sichtbare Heilung der Wunden des letzten Weltkrieges. Die langfristigen, aber unsichtbaren mentalen Langzeitfolgen des letzten Krieges konnte ich in Leipzig ausmachen: Dort, in der Stadt der friedlichen Revolution von 1989, stießen meine Frau und ich zufällig auf den Germanisten Dirk Oschmann („Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“, 5. Auflage 2023). Im verständlichen Zorn hat er darin allen Deutschen einen Spiegel vorgehalten, der zeigt, wie nach mehr als einer Generation noch immer die im östlichen Teil Geborenen benachteiligt sind.
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Nachrichten von Dodo und Manny aus Oxford
geschrieben von Ekkehard HenschkeIm tierischen Ernst: Von beiden Tieren gibt es sagenhafte Berichte. Vom ersteren war schon die Rede. Es gilt als ausgestorben, lebt aber in der Literatur und – ausgestopft – im Naturgeschichtlichen Museum in Oxford weiter. Nun hat kürzlich der wohlinformierte GUARDIAN berichtet, dass die amerikanische Firma Colossal Biosciences den Dodo in ihren gentechnischen Labors nachzüchten will:
Die Firma ist wissenschaftlich in den USA gut vernetzt und hat sich vorgenommen, dem allgemein beklagten Artensterben aktiv zu begegnen. Dazu gehört als erstes sichtbares Ziel, bis zum Jahre 2027 ein behaartes Mammut zu reproduzieren. Auch in Oxford wartet man darauf. Denn ein lebendes Fossil ist vor wenigen Monaten im zarten Alter von (angeblich) 119 Jahren gestorben: Emmanuelle, liebevoll Manny genannt, war der Star von Regent’s Park College und hatte viele Jahre an dem traditionellen Schildkröten-Rennen der Oxforder Colleges teilgenommen. Die OXFORD TIMES berichtete ausführlich am 13.10.2022 von Mannys letztem Geburtstag, an dem sie einen gepflegten Löwenzahl- und Gurken-Kuchen verspeisen durfte.
Das Foto habe ich von einem großen Poster am Eingang der Insel Osney gemacht, die zwischen der Themse und einem Nebenfluss in Oxford liegt. Natürlich hat es den Dodo nie in Oxford gegeben, denn dieses (in der Evolution) flugunfähig gewordene Tier aus Mauritius (im Indischen Ozean) ist schon seit Jahrhunderten ausgestorben. Leider auch mit menschlicher „Hilfe“. Es war ein Meter groß und wog zwischen 10,6 und 17,5 kg. Das erhaltene Skelett, das im Naturkundemuseum der Universität Oxford liegt, hat als Vorlage für eine Nachbildung – und für die Traum-Geschichte von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ gedient, die jedes englische Kind kennt.- Osney hat neben alten gemütlichen Häusern ein hochmodernes kleines Turbinen-Elektrizitätswerk aufzuweisen, das von den dortigen Einwohnern als Genossenschaft organisiert und finanziert wurde und diesen nun seit einigen Jahren den Strom liefert (durchschnittlich 188 Mega-Watt-Stunden im Jahr). Das mittelalterliche Gegenstück ist die nahegelegene Abteikirche vom Ende des 12. Jahrhunderts.
Oxford, eine Stadt mit Tradition und Zukunftsvisionen. Von dort sende ich viele gute Wünsche für ein traumhaftes Weihnachten und eine bessere Wirklichkeit im neuen Jahr 2023!
Zwischen Cherwell und Themse – zwischen Riga und Oxford
geschrieben von Ekkehard HenschkeEbenso wie Berlin nicht nur an der Spree, sondern auch an der Havel und an der Panke liegt, so hat die Stadt Oxford ihre Ufer an der Themse und an denen des Flusses Cherwell. Das Foto zeigt die herbstliche Stimmung am Cherwell, auf dem im Sommer die flachen Punting-Boote der Studenten und Touristen gestakt werden. Dabei geht es an mehreren College-Gebäuden vorbei. Darunter ist das junge Wolfson-College. Der aus Riga stammende russisch-britische Philosoph Isaiah Berlin (1909-1997) war 1966 dessen Gründungspräsident. Er hatte in St. Petersburg die Februar- und dann die Oktober-Revolution erlebt. Seine jüdische Familie war dann aber 1921 nach England gezogen. Im November 1945, trafen sich die unter Stalin unterdrückte Dichterin Anna Achmatowa (1889-1966) und der junge britische Diplomat Isaiah Berlin im vom Krieg gezeichneten Leningrad, früher St. Petersburg, dem sie einige Gedichte widmete. Der ungarische Schriftsteller György Dalos schrieb darüber den Roman „Der Gast aus der Zukunft“ (1996/2002). Zwanzig Jahre später kam Achmatowa nach Oxford, wo sie auf Veranlassung von Berlin die Ehrendoktorwürde erhielt. Dort sprach sie in russischer Sprache dieses Gedicht:
https://podcasts.ox.ac.uk/anna-akhmatova-reading-her-poems-about-isaiah-berlin-oxford-1965
Zu Ehren des politischen Philosophen und Vertreters einer offenen Gesellschaft Isaiah Berlin werden jährlich Vorträge in Riga veranstaltet: https://isaiah-berlin.wolfson.ox.ac.uk/Riga . Berlin mahnt damals wie heute: „Let me reiterate: liberty in on sense is basic, the one value which is presupposed by all others in human life – without that no choice, no action, subject or object of moral thought; in my sense, no humanity” (an den amerikanischen Philosophen Henry S. Richardson, 20.04.1988).
Das zweite Elisabethanische Zeitalter ging zu Ende
geschrieben von Ekkehard HenschkeSelten erlebt man historische Persönlichkeiten und Momente so direkt wie in diesen Tagen der Trauer um Königin Elisabeth II.. In London waren in Trauer vereint Alt und Jung, und zu der Trauerfeier am 19. September 2022 kamen Repräsentanten aus aller Welt. Es gibt einen neuen König, Charles III., aber die Probleme, insbesondere der Krieg in der Ukraine, die globale Wirtschaftskrise und der Klimawandel bleiben. Ein Blick in die Geschichte, hier Großbritanniens, erscheint dennoch sinnvoll.
In der Zeit der englischen Königin Elisabeths I., 1533 geboren, Herrscherin 1559-1603, einer gebildeten und energischen Herrscherin, erlangte England globale Bedeutung. Die Schiffe der Königin, darunter die des Seefahrers Walter Raleigh, erkundeten neue Länder und errangen militärische Stärke auf den Weltmeeren. 1588 wurde die spanische Armada geschlagen und erlitt an der Küste Irlands Schiffbruch. Wie in der Gegenwart war die politische Elite in jener Zeit zerrissen und voller Intrigen. Andererseits ging es wirtschaftlich bergauf, und mit William Shakespeare und anderen Zeitgenossen erwarben sich die englische Literatur und das Theater dauerhafte Weltgeltung. Das goldene Elisabethanische Zeitalter dauerte immerhin 44 Jahre.
Elisabeth II., 1926 geboren, war Königin des Vereinigten Königreichs seit 1952. Sie starb am 08.September dieses Jahres, nachdem sie wenige Monate zuvor noch ihr 70-jähriges Jubiläum feiern konnte. Noch zwei Tage vor ihrem Tode hat die „Queen“, wie sie auch weltweit genannt wurde, die neue Premierministerin mit der Regierungsbildung beauftragen können. Sie war eine integre Persönlichkeit und Monarchin, die aus christlicher Gesinnung und hohem Verantwortungsethos – aber ohne wirkliche Macht – wirkte. Ihre vorbildhaft einende Lebensleistung fand leider wenig Nachahmung in der herrschenden politischen Elite Großbritanniens, die aber über kein Empire mehr verfügt. Diese Elite, wesentlich verantwortlich für den Brexit, muss sich angesichts der wirtschaftlichen Probleme damit trösten, dass ihre Sprache, das Englische, die Welt beherrscht. Es ist nur zu hoffen, dass Charles III. das Werk seiner Mutter in einer unruhigen Welt fortsetzen kann.